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Jüngere Dorfgeschichte

von Lantershofen

Neue Heimat Lantershofen - Ansiedlungen in Grafschaft 1945-1953

Von Ottmar Prothmann |

Ottmar Prothmann: Ansiedlung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen - eine gelungene Integration (1)

Seit Beginn des Zweiten Weltkrieges herrschte in den sonst so ruhigen Dörfern der Grafschaft, in denen selten Fremde auftauchten und nur wenige Fremde sich niederließen, ein ständiges Kommen und Gehen von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Zuerst kam 1939/40 deutsche Einquartierung, dann folgten ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Zusätzlich suchten Ausgebombte aus den teilweise zerstörten und weiterhin von Bomben bedrohten Städten hier Zuflucht. Im März 1945 quartierte sich amerikanische Besatzung ein, dann folgten Grenzpolizisten und französische Gendarme (zusammen 47 Personen). Unterdessen kehrten die zahlreichen zum Kriegsdienst eingezogenen einheimischen Männer, soweit sie Krieg und Gefangenschaft überlebt hatten, zurück in ihre Heimatdörfer. Nach Kriegsende zogen die ausgebombten und hierhin evakuierten Einwohner aus den nördlich gelegenen Städten, insgesamt 341 Personen, nach und nach in ihre Heimat zurück, aber noch am 15. November 1950 lebten in den Dörfern der Grafschaft 114 Evakuierte, deren Aufnahme von den Städten abgelehnt wurde.

Erste Zuwanderer. Die Dorfbewohner waren froh, dass nach langen Jahren der Unruhe langsam wieder Normalität eintrat und sie wieder Herr im eigenen Haus wurden. In dieser Situation kamen nun mit den Heimatvertriebenen Menschen in diese Dörfer, die, anders als die oben genannten Gruppen, nicht nur vorübergehend bleiben, sondern hier eine neue Heimat finden wollten. Als Folge des von Deutschland angezettelten Krieges waren die Menschen der deutschen Gebiete in Osteuropa aus ihrer Heimat geflohen. Wer sich nicht zur Flucht hatte entscheiden können, war verschleppt oder später vertrieben worden. Insgesamt waren es zwölf Millionen Menschen, die ihre Heimat verloren. Zwei Millionen Menschen überlebten Flucht und Vertreibung nicht. Viele hatten Hunger, Kälte, Vergewaltigungen und unaussprechliche Grausamkeiten erlebt.Die meisten Flüchtlinge flohen gegen Kriegsende in die nächstgelegenen Gebiete, in denen sie Sicherheit fanden. Das waren Dänemark, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern. Nur vereinzelt kamen schon 1945 Flüchtlinge in die Grafschaft. 1946 sollte das Amt Ringen 600 Flüchtlinge aufnehmen. 90 Prozent der Leute waren wegen ihres Alters oder aus anderen Gründen arbeitsunfähig. Amtsbürgermeister Dr. Ley wehrte sich gegen diese Einweisung mit dem Argument, diese Menschen könnten nicht bei Feldarbeiten eingesetzt werden. „Nichtarbeitende rufen auf dem Lande erfahrungsgemäß weit mehr soziale Spannungen hervor als in den Städten. Erschwerend kommt noch hinzu, dass auf dem Lande die Bauernfamilien, namentlich im Sommer bei gutem Wetter, draußen sind und die Häuser den Fremden offen stehen.“ Seine Bedenken hatten Erfolg, die Flüchtlinge wurden woanders untergebracht.

Dänemarkflüchtlinge 1948. Ende August 1948 lebten 57 Flüchtlinge im Amt Ringen. Dann traf am 8. November der erste Transport der sogenannten „Dänemarkflüchtlinge“ mit 1459 Personen im Flüchtlingsdurchgangslager Niederbreisig ein. Es waren vor allem Ostpreußen, die auf Schiffen über die Ostsee nach Dänemark geflohen waren und seitdem dort in Lagern lebten. Von diesem Kontingent wurden am 10. November 21 Personen in die Grafschaft gebracht. Dort waren schon im Oktober die nötigen Vorbereitungen getroffen worden. In neun Gemeinden waren Räumlichkeiten gefunden und zumeist komplett eingerichtet worden. Dazu hatte die Bevölkerung Geld gespendet. Schwierigkeiten bereitete es nur, Textilien (Bettbezüge, Wolldecken usw.) zu kaufen.

Umsiedlung 1950. Nach den „Dänemarkflüchtlingen“ zogen stetig weitere Heimatvertriebene zu, so dass am 15. Dezember 1949 122 Flüchtlinge im Amt Ringen lebten. Der Hauptstrom der Flüchtlinge setzte jedoch erst 1950 ein. Um die Bundesländer, in denen die meisten Heimatvertriebenen Zuflucht gefunden hatten, zu entlasten, verordnete die Bundesregierung, dass die übrigen Bundesländer im Laufe des Jahres 1950 aus Bayern und Niedersachsen je 75.000 und aus Schleswig-Holstein 150.000 Heimatvertriebene aufzunehmen hätten. Rheinland-Pfalz, das ab 1945 nur wenige Heimatvertriebene aufgenommen hatte, sollte demnach 90.000 Heimatvertriebene übernehmen. Am 24. Januar 1950 verfügte der Regierungspräsident, dass der Kreis Ahrweiler 2.500 Heimatvertriebene aus den drei Abgabeländern im Laufe des Jahres erhalten sollte. Das Kontingent für die Grafschaft betrug 310 Personen. Die Umsiedlung erfolgte auf Grund von freiwilligen Meldungen. Die Hauptgründe für eine gewünschte Umsiedlung waren: Suche nach einer Arbeitsstelle, Nähe zu Verwandten und bei Katholiken, die in Schleswig-Holstein in der Diaspora lebten, der Wunsch, ihre Kinder eine katholische Schule besuchen zu lassen. Um sich ein Bild von der Situation der Flüchtlinge zu machen, reiste Kirchenrat Sachsse aus Oberwinter als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in die Abgabeländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In seinem Bericht vom Juli 1950 heißt es: „Es muss gesagt werden, dass die Lage der Flüchtlinge in den Abgabeländern wesentlich schlechter ist, als man es sich in unserem Gebiet vorstellt. Das Leben derselben ist zum großen Teil nicht menschenwürdig. Alles was das Leben lebenswert macht, behagliche Wohnverhältnisse, angenehmes Familienleben, befriedigende Arbeit, genügendes Einkommen, Aufstiegsmöglichkeiten, fehlt der Mehrzahl der Flüchtlinge vollständig. Verzweiflung oder Abgestumpftheit ist die natürliche Folge dieser Lage.“ Die Flüchtlinge trafen mit 20 Sonderzügen in Abständen von je zehn Tagen vom 13. April bis 13. November 1950 in Heimersheim ein. Mit diesem letztgenannten Tag war die eigentlich Umsiedlungsaktion für den Kreis Ahrweiler offiziell abgeschlossen. Die Transporte wurden durch die Sammelstelle in Heimersheim zunächst registriert, gesundheitlich durch das Staatliche Gesundheitsamt überprüft und durch das Rote Kreuz und die Caritas betreut. Als Sammellager war im Februar 1950 der Saal Kretzer gegenüber dem Bahnhof in Heimersheim eingerichtet worden. Die Züge trafen immer in den frühen Morgenstunden ein, so dass ein Teil der Flüchtlinge noch am selben Tag in die Aufnahmegemeinden abtransportiert werden konnten. Wenn dies nicht gelang, bestand die Möglichkeit, sie kurzzeitig im Saal Kretzer unterzubringen und zu verpflegen. Die Flüchtlinge führten einen umfangreichen Hausrat, ja sogar Brennholz und Kartoffeln mit sich. Alles wurde auf Lastwagen geladen, alte Leute und Kinder stiegen in bereitstehende Busse, die übrigen kletterten auf die Lastwagen. Sachbearbeiter aus den Amtsbezirken des Kreises (vom Amt Ringen Hubert Fleissig) begleiteten die Kolonnen und sorgten für die Verteilung in den Orten. Ein Jahr nach Beendigung der Umsiedlungsaktion, am 4. August 1951, lebten im Amt Ringen 503 Flüchtlinge, nicht eingerechnet die Ostzonenflüchtlinge sowie die aus dem Krieg zurückgebliebenen Evakuierten. Ottmar Prothmann, Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2011 - (Fortsetzungen 2 und 3 folgen später)