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Jüngere Dorfgeschichte

von Lantershofen

Neue Heimat Lantershofen - Umsiedlung, Flucht, Vertreibung

Von Dorf in der Zeit e.V. |

Aus der Bukowina in Rumänien nach Lantershofen

Weit weg sind heute die schrecklichsten Ereignisse des vorigen Jahrhunderts. Erster und Zweiter Weltkrieg, Judenverfolgung und Holocaust sind Begriffe, deren Hintergründe, Begebenheiten und Schicksale gegenwärtig kaum noch im tiefen Bewusstsein der Bevölkerung verankert sind, obwohl manche Auswirkungen der damaligen Geschehnisse heute noch prägend sind. So zeugten bereits weit vor dem Kriegsende die ständigen alliierten Bombenangriffe ab 1944 auf Städte, Dörfer und Versorgungsanlagen und die systematische Einkreisung des Deutschen Reiches durch weit überlegene alliierte Bodentruppen vom bevorstehenden Ende eines verlorenen Krieges. Nicht erst der Einmarsch der russischen Roten Armee in Deutschland bewirkte eine beispiellose und millionenfache Fluchtbewegung und Evakuierungen, Deportationen und Ausweisungen aus Osteuropa. Auch die bedingungslose Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 setzte dem Flucht- und Vertreibungsgeschehen kein Ende. Nazi- und Kriegszeit hatten auch nach Kriegsende noch starken Einfluss auf Leben und Schicksal von Millionen Menschen genommen. Selbst in den kleinsten Dörfern hinterließen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und die daraus resultierenden Kriegs- und Verbrechenseinwirkungen tiefe Spuren. Umsiedlung, Flucht oder Vertreibung vorwiegend aus Osteuropa und Neuanfang unter schwierigsten Bedingungen waren dramatisches Schicksal vieler Menschen. Auch im Kreis Ahrweiler begann für etliche Umsiedler und Vertriebene ein neuer Lebensabschnitt. So auch für Elisabeth Proksch, die im Februar 1937 in Solca, Kreis Czernowitz in Rumänien, geboren wurde. Ihre Familie wird 1940 in ein Lager im Sudentland umgesiedelt und muss 1945 fliehen.

Die Eltern von Elisabeth Proksch gehörten der Volksgruppe der Bukowinadeutschen oder Buchenlanddeutschen an, die um 1800 bis 1940 im historischen Landstrich Bukowina lebten.  Der nördliche Teil gehörte zur Ukraine, der südliche zu Rumänien. Hitler besetzte die überwiegend bäuerlich geprägte Bukowina militärisch im Jahr 1940. Der Umsiedlung unter dem Motto „Heim ins Reich“ schloss sich die Volksgruppe der Bukowinadeutschen mit mehr als 90.000 Personen nahezu vollständig an. Nach Aufenthalten ab 1940 im Lager Jägerndorf im Sudetenland und 1942 im Lager Litzmannstadt / Lodz (heute Polen) wird Elisabeth Proksch 1943 in Hardtshufen bei Neutomischel im Reichsgau Wartheland (bei Posen /Polen) eingeschult. 1945 muss die Familie fliehen. Elisabeth Proksch: „Wir kamen bis Krielow, so 40 km vor Berlin. Dort blieben wir, dachten, bis hier hin kommen die Russen nicht. Dann aber kamen doch die Russen. Es war grausig.“ Nach einigen Monaten Aufenthalt im Lager Friedland kommt die Familie schließlich 1946 im Lager Kielseng / Flensburg-Mürwik an, dort geht Elisabeth weiter zur Schule.

Aus Gründen einer gleichmäßigeren Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer erfolgte 1950 die Umsiedlung der Familie Proksch nach Karweiler in Rheinland-Pfalz. Volksschullehrer Robert Krämer schreibt hierzu: “1950 kamen nach Karweiler die drei Familien Proksch, Hennig und Ziganowski als erste Ostflüchtlinge. Bald fanden sie Arbeit und gliederten sich gut in die Dorfgemeinschaft ein. Fünf Kinder schickten sie zur Schule.“ So ging auch Elisabeth Proksch hier weiter zur Schule und besuchte weiterführend von 1951 bis 1953 die Staatliche Handelsschule in Sinzig, machte dort ihren Abschluss und arbeitete von 1953 bis 1960 als Chefsekretärin von Franz Schaaf bei den Kettiger Thonwerken in Lantershofen. 1959 heiratete sie Dietrich Negenborn, ebenfalls ein Flüchtling aus dem Osten und zog nach Lantershofen um. 1964 wurde Tochter Heike Negenborn geboren, 1966 Sohn Urban Negenborn. Von 1974 bis 1980 war sie für den Kindergarten Lantershofen tätig und zog dann mit den Kindern nach Ahrweiler um. 1981 setzte Elisabeth Negenborn ihre Berufstätigkeit in der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt in Ahrweiler fort. 1981 wurde die Ehe mit Dietrich Negenborn geschieden. Ein Jahr später heiratete sie Hans Kriechel, mit dem sie 2002 von Ahrweiler nach Bremen umzog. Hier wohnt Elisabeth Kriechel heute in der Heimstiftung Stadtteilhaus Kattenesch.