Watzmannüberschreitung in den Berchdesgadener Alpen
Freitag morgens (30.9.2011) machten sich die Lantershofener Erich und Andreas Althammer, Karl-Heinz Scholl, Michael Sprinkmeier, Martin Moitz sowie der Berichterstatter zusammen mit dem gleichermaßen bergbegeisterten Hans-Paul Sonntag aus Heppingen auf den Weg in die bayerischen Alpen. Ziel der vom Initiator Erich Althammer schon längere Zeit geplanten Bergtour war das knapp 800 km entfernte Watzmannmassiv in den Berchtesgadener Alpen. Konkret ging es um die Überschreitung des Watzmanngrates von Norden nach Süden - eine aufgrund ihrer Länge und alpinen Höhenlage ambitionierte Tour für konditionsstarke, trittsichere und absolut schwindelfreie Tourengeher.
Bei bestem „Kaiserwetter“ erreichten wir gegen 14:00 Uhr den Parkplatz „Wimbachbrücke“ in Ramsau (670 m üNN) als Ausgangspunkt für den Aufstieg zum ersten Etappenziel – dem auf 1.930 m liegenden Watzmannhaus. Ausrüstung geschultert, Auto verschlossen – und schon hatte uns der stetig steil ansteigende Weg durch den stillen Bergmischwald aufgenommen. Den zu Tal brausenden Wimbach ließen wir bald links liegen und erreichten, vorbei an der herrlich gelegenen Stubenalm und dem Hochleger Mitterkaseralm das hoch über Berchtesgaden thronende Watzmannhaus. Kleine Überraschung: anstatt der angegebenen 4 Stunden Gehzeit war das Ziel bereits nach 2 ¾ Stunden erreicht - von einigen „Schnellgehern“ sogar schon nach 2 Stunden.
Dem Eilmarsch folgte pure Entspannung mit einer zünftigen Brotzeit und Bier draußen in der angenehm warmen Nachmittagssonne. Die „Berghütte“ mit 210 Schlaflagern war ausgebucht - kein Wunder bei diesen Wetterverhältnissen und dem vor uns liegenden verlängerten Wochenende. Die Stimmung beim Abendessen war gelöst und die Vorfreude auf die morgige Gratüberschreitung bei allen spürbar. Zur guten Stimmung trugen auch die angenehme Hüttenatmosphäre, der ordentliche Zustand der Räumlichkeiten und ein hervorragend motiviertes Hüttenteam bei.
Am Samstag, 1.10.2011, kam noch vor Sonnenaufgang Bewegung ins Matratzenlager. Kurzes Frühstück und Abmarsch der Ahrtaler Bergsteiger um 06:30 Uhr, in Begleitung einer großen Schar Gleichgesinnter vor und hinter uns. Fast alle hatten das gleiche Tagesziel: Aufstieg zum Hocheck (2.651 m) mit anschließender Gratüberschreitung über die Watzmann-Mittel-spitze (2.713 m) zur Südspitze (2.712 m); anschließend Abstieg zum Wimbachgries und hinunter durch das 10 km lange Wimbachtal ins Tal. Für diese Tour ist eine Gesamtdauer von ca. 13 Stunden einzuplanen, wobei im Wimbachgries Einkehrmöglichkeiten bestehen. Entgegen der immer wieder (auch auf den Königseebooten) gegebenen Information, der Watzmann sei der zweithöchste Berg Deutschlands, ist dieser mit 2.713 m nach Zugspitze (2.963 m), Schneefernerkopf (2.874 m), Mittlere Wetterspitze (2.750 m), Hochwanner (2.744 m), Mittlere Höllentalspitze (2.743 m), Innere Höllentalspitze (2.741 m) und Äußere Höllentalspitze (2.720 m) tatsächlich „nur“ der achthöchste Berg Deutschlands.
Die eigentliche Gratkletterei beginnt am Hocheck, das nach ca. 2 Stunden Gehzeit über einen gut markierten Steig zu erreichen ist. Der ziemlich ausgesetzte Einstieg in den Grat vermittelt bereits zu Beginn der Überschreitung ein Gefühl dafür, was uns erwartet. Sollte sich hier trotz der vorhandenen Drahtseile Unsicherheit oder sogar Höhenangst einstellen, ist eine Umkehr noch problemlos möglich. Solche Schmalstellen mit „Tiefblick“ beiderseits des Grates werden immer wieder auftauchen.
Sie sind aber, ebenso wie die Kletterpassagen abseits der Gratschneide, meistens mit Drahtseilen versehen. Neben losem Gestein bieten die von Millionen Schuhsohlen beständig glatt polierten Tritte eine echte Gefahrenquelle auf der gesamten Überschreitung (natürliche Erosion hat hier keine Chance mehr). Daher ist sorgfältiges und konzentriertes Klettern über den gesamten Gratverlauf hinweg erforderlich. Das gilt gleichermaßen für den langen und steilen Abstieg von der Südspitze, wo bis hinunter ins Wimbachgries immer wieder Absturzgefahr besteht. Es ist wichtig, sich der aufkommenden Ermüdung stets bewusst zu sein und in der Aufmerksamkeit nicht nachzulassen. Ausreichende Wasserreserven sind hierfür eine wichtige Voraussetzung und mitentscheidend für das Wohlergehen auf der langen Tour.
Für Wohlbefinden sorgte auch die stabile Wetterlage. Noch vor Erreichen des Hochecks erlebten wir einen bilderbuchmäßigen Sonnenaufgang. Die Stimmung in der Mannschaft war prächtig und nicht einmal die vielen Menschen erwiesen sich als störend. Auf dem Grat verteilen sich die Bergsteiger und Schnellere können in aller Regel problemlos passieren. Auf der Watzmann-Mittelspitze, dem höchsten Punkt der Tour, wurde das beeindruckende Bergpanorama bestaunt.
Vom Kaisergebirge und Loferer Steinberge im Westen bis hin zur Dachsteingruppe im Osten eröffnen sich unzählige Berggipfel. Im näheren Umfeld stechen von Westen nach Osten besonders hervor der Hochkalter (2.607 m), Großer Hundstod (2.593 m), Schönfeldspitze (2.651 m), Hochkönig (2.941 m) und – nicht zu vergessen - das bekannte Steinerne Meer. Viel Platz war allerdings nicht auf diesem Gipfel - daher nach einigen Fotos direkt weiter zur Südspitze.
Auf dem Weg dorthin eröffnen sich immer neue Perspektiven. Hinter der Watzmannfrau (Kl. Watzmann, 2.307 m) nebst Watzmannkindern (der Sage nach wurde im Watzmannmassiv ein grausamer König mit seiner Frau und den sieben Kindern versteinert) taucht tief unten der malerische Königssee auf (603 m). Er ist 8 km lang und bis zu 192 m tief. Die berühmte Wallfahrtskirche St. Bartholomä am Westufer ist trotz des enormen Höhenunterschiedes von etwa 2.000 m gut zu erkennen. Je näher die Südspitze kommt, desto mehr Einzelheiten sind auch in der dort mündenden Watzmann-Ostwand zu erkennen. Mit 1.800 Höhenmetern ist sie vor der Hochwanner-Nordwand (1.400 Höhenmeter, Wettersteingebirge) die höchste Kletterwand der Ostalpen. Die Biwakschachtel rund 400 Höhenmeter unterhalb der Südspitze, die bis zu 4 Bergsteigern Schutz bietet, war von unserem Standort auf dem Grat mit bloßem Auge gut zu erkennen.
Auf der Südspitze angekommen erwartete uns reger Betrieb. Ein geeignetes Plätzchen für die verdiente Brotzeit war dennoch leichter zu finden als auf dem Mittelgipfel. Wir ließen es uns gut gehen und genossen noch einmal die wunderbare Aussicht. Auch für die stets hungrigen Bergdohlen fiel genügend ab. Diese Flugkünstler beeindrucken immer wieder mit äußerst geschickten Manövern im Wettstreit um die besten Futterplätze.
Nach einer guten halben Stunde ging es frisch gestärkt an den zum Teil Steinschlag gefährdeten Abstieg. Bis hinunter in das etwa 1.400 m tiefer gelegene Wimbachgries war aufgrund mehrerer Steilpassagen noch einmal alle Aufmerksamkeit gefordert. Trotz der vielen Bergsteiger sausten nur wenige Brocken vorbei und niemand wurde getroffen. Schließlich fand - nach ca. 8 ½ Stunden seit Aufbruch vom Watzmannhaus - die Gratüberschreitung im Wimbachgries ein glückliches Ende. Die halbe Stunde bis zur Wimbachgrieshütte konnte keinen der 7 wackeren Ahrtaler Bergkameraden mehr erschüttern. Wie bereits am Vortag beim Watzmannhaus wurde auch hier die Nachmittagssonne mit kühlen Getränken in vollen Zügen genossen. Nach weiteren 3 Gehstunden durch das zum Kerngebiet des Nationalparks Berchtesgaden gehörende, wildromantische Wimbachtal war der Ausgangspunkt an der Wimbachbrücke wieder erreicht. Außer 2 Fersenblasen und etwas Muskelkater gab es keinerlei größere Blessuren. Erich hatte nicht zuviel versprochen: diese hochalpine Traumtour wird allen Beteiligten in bester Erinnerung bleiben.
Das Highlight „Watzmannüberschreitung“ wurde am 2.10.2011 abgerundet mit einem, auch nachdenklich stimmenden, Besuch des als „Adlerhorst“ bekannten Kehlsteinhauses (1.834 m) und zugehöriger Dokumentationsstätte am Obersalzberg. Die Historie dieses 1938 im Auftrag der NSDAP errichteten Repräsentationshauses auf exponierter Position mit Rundumsicht über das malerische Berchtesgadener Land und eine grandiose Bergkulisse zieht heute zahlreiche Besucher an.
Auf der Rückfahrt am 3.10.2011 bot sich noch die Gelegenheit für eine Stippvisite im westlich des Waginger Sees gelegenen Dorfes Rothanschöring, dem Heimatort der Familie Althammer. Die dort ansässige und vielen Lantershofenern aufgrund zahlreicher Besuche gut bekannte Familie Hofmeister freute sich riesig über den unerwarteten Besuch.
Letzte Station auf dem Heimweg war der Friedhof im benachbarten Kirchanschöring, wo uns Erich auf dem Friedhof den Grabstein seines Ur-Ur-Großvaters Leopold Althammer und dessen Frau Maria zeigte.
Nach einer zünftigen Mahlzeit im nahe gelegenen Gasthof des Ortes ging es dann endgültig zurück auf die Autobahn Richtung Ahrtal. Fazit: So eine gelungene und eindrucksvolle Unternehmung schreit nach Wiederholung!