Zum Inhalt springen

Aktuelles

von Kulturlant

„Das Tagebuch der Anne Frank“ und Hitler’s „Mein Kampf“ gegenübergestellt

Von Thomas Weber |

Schauspieler Thomas Linkes schwierigste Rolle

Das hatte so gar nichts mit der Leichtigkeit von Konzerten oder Kabarett zu tun, wie man sie in Lantershofen erleben kann: auf der Bühne im dortigen Winzerverein bot der Verein „Kulturlant“ am vergangenen Samstag „Anne’s Kampf.“ Bei dieser Gegenüberstellung der Werke „Das Tagebuch der Anne Frank“ und Hitler’s „Mein Kampf“ feierte Schauspieler Thomas Linke seine Premiere in der Rolle des Adolf Hitler. „Ich bin seit 35 Jahren Schauspieler, aber das hier ist meine bisher schwierigste Rolle“, sagte Linke nach dem Bühnenstück, dass sich knapp 70 Menschen anschauten. Nach der Veranstaltung diskutierten sie noch lange im Saal und später im Foyer mit den Schauspielern über die Wichtigkeit des Stücks in der heutigen Zeit, 77 Jahre nach dem Tod von Anne Frank, die wie ihre Schwester im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus starb. Erst in den vergangenen Tagen hatte es neue Hinweise auf den Verrat der beiden in einem Amsterdamer Hinterhaus versteckten jüdischen Familien gegeben, die dort von 1942 an lebten. Hier entstand besagtes Tagebuch, dass es zur Weltliteratur wurde.

Dass das Bühnenstück „Anne’s Kampf“ ins Leben gerufen wurde, liegt knapp sechs Jahre zurück. Schauspielerin Marianne Blum, die nicht nur die Texte aus dem Tagebuch, sondern auch zahlreiche Musikstücke vortrug, besetzt diese Rolle von Beginn an. Sie hatte das Stück gemeinsam mit Guido Rohm konzeptioniert und geschrieben. Blum berichtete dem Publikum im Anschluss an die Aufführung vom Jahr 2016, als das Münchener Institut für Zeitgeschichte seine in drei Jahren erarbeitete kommentierte Neuauflage von „Mein Kampf“ vorstellte. Das Werk schaffte es bis in die Bestsellerlisten. „Wie kann das sein, wer kauft so etwas“, hatte Blum sich seinerzeit äußerst irritiert gezeigt. Als dann die AfD im Jahr 2017 in den Bundestag einzog, war dies ein weiterer Grund, „Anne’s Kampf“ zu spielen.

Seit dieser Zeit tourt die Produktion durch Deutschland, ist in Schulen und Theatern gleichermaßen präsent. Dabei sorgte Thomas Linke in der Rolle des Hitlers für so manches Schaudern im Publikum, als er aus der politisch-ideologische Programmschrift mit einem immer ausgedehnteren Judenhass vortrug. Marianne Blum las derweil aus dem Tagebuch und zeigte dabei deutlich die Entwicklung der unbekümmerten 13-jährigen Anne Frank hin zur immer nachdenklicheren Jugendlichen auf. Immer wieder wurde die Lesung musikalisch untermalt. Nicht mit der Musik, die im Hause Frank gehört wurde, sondern mit den unterschiedlichsten Liedern, die in der Zeit des Nationalsozialismus Rollen spielten. Da waren jiddische Texte, wie „Es hot unds dos Leben gerufen“ oder „Schpil-she mir a Lidele in Jiddisch“ zu hören. Lieder, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden, die „Die Moorsoldaten“ fehlten nicht. Die seinerzeit große Zarah Leander mit ihrem „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ und dem „Davon geht die Welt nicht unter“, fehlte ebenfalls nicht. Sie war eine der Stars in der NS-Zeit und bewahrte ihre jüdischen Texter und Komponisten Bruno Balz und Michael Jary, die ihr einen Hit nach dem anderen schrieben, vor der NS-Verfolgung. Balz hatte beide Lieder in den ersten 24 Stunden, nachdem ihn Zarah Leander aus den Fängen der Nationalsozialisten befreit hatte, geschrieben. Schließlich kam sogar Richard Wagners „Nothung“ aus dem Nibelungenlied zu Gehör. Hitler war ein großer Fan Wagners, dessen Musik heute noch nicht in Israel gespielt wird.