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von Kulturlant

Mit den „Lords“ spielte die „dienstälteste Rockband der Welt“ im Saal

Von Thomas Weber |

Für Rock’n’Roll gibt es keine Altersgrenze

Musiker kennen keine Altersgrenze, das gilt für beinahe jedes Genre. Bekanntestes Beispiel sind sicherlich die Rolling Stones. In Deutschland haben sich „The Lords“ schon vor langer Zeit das Prädikat „dienstälteste Rockband der Welt“ auf die Fahnen geschrieben. Vergangenen Freitag trat die einst als deutsche Antwort auf die Beatles titulierte Band nach langer Corona-Pause wieder einmal auf. In Lantershofen zeigte sich dabei, dass auch viele ihrer Fans mit den Lords gealtert und den Rock’n’Rollern treu geblieben sind. Auf der Bühne im örtlichen Winzerverein war auch einer der allerersten Lords dabei. Leo Lietz, genannt „Lord Leo“, greift bei seiner E-Gitarre auch mit 78 Jahren noch in die Saiten und ruft dem Publikum zu: „Wir können Musik nur laut.“ Ob es zu laut sei, fragte er nicht. Brauchte er auch nicht, schaute er doch ausschließlich in glückliche Gesichter. Lietz war schon im Jahr 1959 Mitbegründer der „Skiffle Lords“, aus den später die Lords wurden. Basis war schon vorher eine Schülerband, wie bei vielen großen Musikgruppen. „Bei den Skiffle Lords hab ich noch Banjo gespielt“, erzählte Lord Leo im Gespräch mit dem General-Anzeiger gleich nach dem Lantershofener Konzert. Da wirkte er erstaunlich fit, berichtete aber dennoch, dass ein solcher Auftritt, der immerhin über mehr als eineinhalb Stunden lief, der Band schon zusetze: „Man wird älter und ein Konzert haut schon rein.“ Aber ans Aufhören denken Lietz und die anderen Bandmitglieder noch lange nicht. „Denn es macht ja Spaß, die Lust ist da und wir haben schließlich nie etwas anderes gemacht“, so der Ur-Lord. Wie ein Leben ohne Musik aussieht, hat die Band in den beiden vergangenen Jahren erfahren. Das letzte Konzert vor dem Lantershofener Gig spielte man im Juli vergangenen Jahres. „Wir haben uns zwar regelmäßig zum Proben getroffen, aber das Gefühl des Live-Spielens vor Publikum doch sehr vermisst“, machte Lietz klar, dass man sich ein Leben ohne Musik gar nicht vorstellen kann. Dabei komme es gar nicht darauf an, ob man vor Tausenden von Menschen spiele oder vor gut 200, wie im Lantershofener Winzerverein.

Hier blieben einige Stühle leer, wohl aus Angst vor Corona waren nicht alle Ticketinhaber gekommen. „Die haben was versäumt“, sagte Leo Lietz. Und Drummer Philippe Seminara, der seit dem Jahr 1998 ein Lord ist, ergänzte: „Die Saalgröße hat absolut keine Bedeutung, das Publikum war super, die Resonanz toll. Und man hat hier eine ganz andere Nähe zu den Fans.“ Natürlich erinnere er sich gerne an die großen Konzerte, ergänzte Lord Leo. Vor allem an die außergewöhnlichen Auftritte, waren die Lords doch die erste Band aus dem Westen, die während des Kalten Kriegs hinter dem Eisernen Vorhang spielen durften: „Wir waren zu einem Festival nach Polen eingeladen, haben vor 25.000 Menschen dort einen mit dem Festival verbundenen Wettstreit gewonnen und sind danach durch das ganze Land getourt.“ Das ist mehr als 50 Jahre her, auf der Bühne erinnerten die Songs der Lords dann aber wieder an die mittlerweile 62-jährige Bandgeschichte, die allerdings Anfang der 1970er Jahre nach dem Tod von Ulli Günther, dem Kopf der Band, für ein halbes Jahrzehnt unterbrochen wurde. 1976 kam man dann wieder zusammen, spielte in unterschiedlichen Besetzungen. Die letzte Änderung gab es vor zwei Jahren, als Sänger Bernd Zamulo nach 55-jährigem Lords-Engagement verkündete, der Akku sei leer. Zamulo stieg aus, seinen Platz als Bassist und Sänger nahm Roger Schüller ein, der sich als optimale Besetzung entpuppte. Als Schüller im Jahr 1964 das Licht der Welt erblickte, waren die Lords schon fünf Jahre auf den Bühnen im Land unterwegs.

Nie gewechselt hat die Position des Gitarristen, der hieß immer Leo Lietz. Wie sich der 78-jährige fit hält, verriet er: „Man muss schon ein wenig aufpassen, der Körper zeigt einem sonst die Gelbe Karte.“ Der Alltag bestehe daher bei ihm und den anderen Bandmitgliedern aus Spaziergängen, ein wenig Sport und Musik. Und damit langte es allemal, das Publikum im Lantershofener Winzerverein zu begeistern. Da hielt es kaum jemanden lange auf den Stühlen, vor allem die alten Gassenhauer, wie „Shakin‘ All Over“, „Greensleeves“ oder „Glory Land“ zeigte, wie textsicher die Lords-Fans auch heute noch sind. Und dann war da noch der größte Hit. „Poor Boy“ wurde von der Band in epischer Breite dargeboten und vom Saal frenetisch gefeiert. Text und Musik stammen übrigens aus der Feder von Leo Lietz, im Jahr 1965 komponierte er den Song.