Zum Inhalt springen

Realistische Kompositionen im Studienhaus

Von Andrea Simons im General-Anzeiger |

Künstler und Noch-Seminarist Andreas Jauss zeigt "Unterwegs"

27.5.2015. Zwei Mal hinschauen lohnte. Mindestens. Und Näherkommen sowieso. Anders als es der erste Blick nahe legt, sind die Bilder, die zurzeit im Studien­haus Sankt Lambert in Lantersho­fen zu sehen sind, keine Fotos und die Motive keine Abbildungen. Es sind fotorealistische Arbeiten von Andreas Jauss, Werke aus Acryl auf Leinwand in Schwarz-Weiß, und tatsächlich nur unter Ver­wendung von schwarzer und wei­ßer Farbe, und zudem gehängt wie oft Fotos. 60 Werke, allesamt im Format 30 Mal 40 Zentimeter, und in je drei Reihen zu 20 Bildern sorgsam platziert auf einer ge­schwungenen Wand im Foyer des Studienhauses, standen insbesondere im Fokus der Vernissage-Gäste.

„Ist das New York? Wo ist dieser Strand? Wo diese Firmen­gebäude?“, fragten sie sich. „So gibt es sie eigentlich nirgendwo“, antwortete der Künstler. Denn sei­ne Werke sind Kompositionen, aber so realistisch, dass jeder sie aus seinem Alltag zu kennen glaubt. Scheinbar sachlich und nüchtern sind eine Fülle von Su­jets auf Leinwand gebannt und vermögen besonders durch ihre atmosphärische Dichte zu berüh­ren: der Blick aus dem Fenster oder auf den Teller, auf einen Basket­ballplatz oder in eine Kantine, Ar­chitektur, Interieurs, Stillleben, vereinzelt Menschen, Hochhaus­schluchten und Landschaften, an denen man sonst vielleicht im Au­to achtlos vorbeifährt. Und immer wieder Wege und Straßen, die scheinbar ins Meer, um die Ecke, durch ein Dorf oder bis an den Ho­rizont führen.

„Unterwegs“ ist der Titel der Ausstellung. Er rührt vielleicht auch daher, dass der Künstler sich nach eigenen Angaben auf seinen vielen Reisen inspirieren lässt, seine Motive aus Fotos komponiert und Computerprints als Aus­gangspunkte für seine Werke nutzt. „Ich möchte nicht expressi­onistisch und nicht impressionis­tisch malen. Es soll dokumenta­risch sein“, erklärt Jauss, dessen Exponate zum Teil auch im Studi­enhaus entstanden. Denn Jauss ist Student am Studienhaus und wird im Juli in Lantershofen abschlie­ßen. Bereits davor war er künstle­risch tätig und erfolgreich.

1960 in Sindelfingen geboren, machte er zunächst eine Lehre als Versicherungskaufmann, gründete dann aber eine Künstlergemeinschaft und schloss sein Studium der Ma­lerei an der staatlichen Kunstaka­demie Karlsruhe mit einem Dip­lom in Malerei/Grafik ab. Seit 2011 studiert Andreas Jauss neben sei­ner künstlerischen Tätigkeit an Sankt Lambert Theologie, um Priester zu werden. Kunst und Theologie berühren sich in seinen Arbeiten nicht nur, wenn sie so of­fensichtlich sind wie bei den Wer­ken, die etwa das Innere eines Gotteshauses anbeten oder ein Stillleben mit Bibel und Wasser­glas. Der Blick aus einem Fenster ist der aus einem Klosterfenster und hat etwas mit der Öffnung der Kir­che durch das Zweite Vatikanische Konzil zu tun, sagt Jauss. Letztere Motive gehören zu den wenigen Werken von etwas größerem For­mat und in dezenter Farbgebung, von denen einige vor allem im Un­tergeschoss des Studienhauses zu sehen sind.

Vom Zusammenhang zwischen Kunst und Theologie sprach auch Regens Monsignore Michael Bollig zur Vernissage und sah Parallelen unter anderem in dem Bemühen, die Grenzen des rein Sichtbaren zu sprengen und Gedanken und Empfindungen der Menschen über das Empirisch-Erfahrbare hinaus­zuführen. Bollig attestierte Jauss’ Kunst zudem nicht nur Vielfältig­keit: „Sie atmet Weite, Tiefe und Realität. Sie legt eine Spur über das Abgebildete hinaus.“ Friedhelm Mennekes, Jesuitenpater, Theolo­gieprofessor und Kunstsachver­ständiger, widmete sich in seiner Einführung dem Leben und dem Arbeiten des Künstlers und stellte erst mal fest: „Das Werk hat mich umgehauen.“

Die Ausstellung „Unterwegs" im Studienhaus Sankt Lambert ist zu sehen bis Montag, 6. Juli, montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr sowie sonn­tags von 12 bis 17 Uhr. Finissage und Gallery Talk mit dem Künstler beginnen am Abschlusstag um 19.30 Uhr.