Zum Inhalt springen

Tradition bewahren - Veränderung zulassen

Von Volker Jost |

Festkommers am Kirmesmontag im Saal des Dorfgemeinschaftshauses Winzerverein

Festlich und fröhlich geht es stets zu, wenn die Lantershofener Junggesellen-Schützen zum Festkommers anlässlich der Lambertus-Kirmes einladen. Der ganze Saal des Winzervereins erstrahlt dann in traditioneller Herrlich­keit, wenn die grün-weiß unifor­mierten Mitglieder der Junggesellen-Schützen-Gesellschaft Sankt Lambertus und die ge­setzteren Herrschaften der Bür­gergesellschaft in schwarzem Anzug und Zylinder an den lan­gen Tischreihen Platz nehmen, um gemeinsam die Tradition hochzuhalten. Wobei die Herren allerdings zugeben müssen, dass diese Festgesellschaft oh­ne die zwei Dutzend bezau­bernden Lantershofener Brötchesmädchen, die sich an die­sem Vormittag um die Bewir­tung der Gäste kümmerten, noch nicht einmal halb so schön wäre.

Alljährlich ist der Festkommers einer der unumstrittenen Höhe­punkte der Lambertus-Kirmes, steht hier doch der amtierende Schützenkönig noch einmal voll und ganz im Mittelpunkt des Geschehens. Beim Schützen­fest eine Woche zuvor hatte der bisherige Kassierer der Junggesellen-Schützen-Gesellschaft, Marco Böhm, den Königsvogel abgeschossen. Er wurde von Hauptmann Robin Grießel gleich zu Beginn ganz beson­ders begrüßt, im Laufe des Vor­mittags wurde mehr als ein dut­zendmal auf sein Wohl angesto­ßen.

Robin Grießel beschäftigte sich in seiner Rede mit der Frage, was erforderlich sei, um Traditi­on und Brauchtum dauerhaft zu erhalten. „Müssen wir uns im­mer an Traditionen halten und alles so lassen, wie es ist?“, fragte er, um gleich darauf mit einem klaren „Nein“ zu antwor­ten. Schließlich stünden Traditi­on und Brauchtum in einem im­merwährenden Kampf mit der Moderne und der Veränderung. Wenn es die Junggesellen- Schützen in Lantershofen nicht gäbe und heute käme jemand auf die Idee, diese aus der Tau­fe heben zu wollen, so würde er wohl allerseits auf verständnis­loses Kopfschütteln stoßen, vermutete Robin Grießel. Junge Männer in Uniform, die einem König huldigten - das sei heute schlichtweg undenkbar. Wenn es sie nicht eben schon seit 1492 geben würde. Er sah eine kontinuierliche und vorsichtige Anpassung an die jeweilige Zeit als beste Lösung, um Tradition dauerhaft erhalten zu können. So habe auch die Junggesellen-Schützen-Gesellschaft Sankt Lambertus Lantershofen in den vergangenen Jahren ei­nige Änderungen initiiert, die al­lesamt gut angekommen seien und zum Fortbestand der Gesellschaft beitrügen. Denn die schönste Tradition nutze nichts, wenn es niemanden gebe, der bereit sei, mitzumachen und sie weiterzutragen. „Veränderungen sind wichtig, um Traditionen le­bendig zu erhalten“, war der Hauptmann überzeugt.

Schon seit genau zehn Jahren Stammgast beim Festkommers ist Regens Dr. Michael Bollig vom Priesterseminar auf Burg Lantershofen. Schließlich sei er schon 48 Jahre alt und immer noch Junggeselle, schmunzelte er in Anspielung auf seinen Zö­libat. Er blickte zurück auf 1492, das Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung der Lantersho­fener Junggesellen. Immerhin sei das Dorf damals ein reichsunmittelbarer Ort gewesen, der nur direkt dem Kaiser unter­standen habe, während das be­nachbarte Ahrweiler dem Abt des Klosters Prüm unterworfen war. Noch heute sei in Lanters­hofen eine Atmosphäre der Freiheit und der Ungebunden­heit zu spüren, die das Lebens­gefühl hier zu einem wesentli­chen Teil ausmache.

Landrat Dr. Jürgen Pföhler gab humorvoll die Spitze gegen Ahr­weiler zurück mit der Feststel­lung, die Lantershofener Jung­gesellen seien nur deshalb 1492 erwähnt worden, weil sie damals erstmals an der Ahrwei­ler Fronleichnamsprozession teilgenommen hätten. Er könne sich auch vorstellen, wie das damals abgelaufen sei: „Im We­sentlichen kamen die Rotwein saufen“, sagte er augenzwin­kernd. Abgesehen davon habe die Prümer Regentschaft länger durchgehalten als die des Kai­sers, nämlich bis heute. Jürgen Pföhler fand die Verankerung der Junggesellen im Dorf sehr imponierend, was nicht zuletzt der tatkräftigen Unterstützung durch die Bürgervereinigung, das Tambourcorps und die Brötchesmädchen zu verdanken sei. Und das alles auf Basis der Werte „Glaube, Sitte, Heimat“, die nicht nur auf der Fahne, sondern auch im Herzen getra­gen würden. Der Landrat nutzte die Gelegenheit, bei den Anwe­senden um Unterstützung bei der Bewältigung der anstehen­den Flüchtlingsproblematik zu werben: „Es werden viele Flüchtlinge kommen, das wird eine große Herausforderung werden. Doch entscheidend ist, wie wir damit umgehen.“ Er plä­dierte dafür, den ankommenden Flüchtlingen dauerhaft das zu geben, was sie verloren hätten und was wir hier immer noch besäßen, nämlich eine Heimat. Jeder könne etwas dafür tun, als leuchtendes Beispiel nannte er Regens Bollig, der im Studi­enhaus St. Lambert bis zu 20 Flüchtlinge aufnehmen werde. Das bestätigte auch Bürger­meister Achim Juchem: „Ge­meinschaft macht stark“. 

Die Landtagsabgeordnete Petra Elsner fand es bei ihrem letzten Auftritt nach 18 Jahren schön, in einer zunehmend unfreundli­chen Welt eine werteorientierte Tradition zu erleben, die über einen langen Zeitraum Bestand habe. Im Gegensatz zu anderen Traditionsvereinen habe die Junggesellen-Schützen-Gesellschaft Lantershofen keine Nachwuchssorgen, und sie hof­fe, dass dies auch künftig so bleibe. Sie sei ein bisschen stolz darauf, dank ihrer politi­schen Funktion fast zwei Jahr­zehnte lang - neben den Brötchesmädchen - die einzige Frau im Saal gewesen zu sein und hoffte, den hohen Anforderun­gen gerecht geworden zu sein. Stürmischer Beifall der Festge­meinde bestätigte dies.

Für den erkrankten Ortsvorsteher Leo Mattuscheck sprach sein Stell­vertreter Stefan Dünker, seines Zeichens Erster Offizier der Junggesellen, allerdings kir­mesbedingt mit etwas heiserer Stimme. „Wir können uns glück­lich schätzen, dass es im Dorf jede Menge Menschen gibt, die sich für die Gemeinschaft enga­gieren“, sagte er mit Blick auf Junggesellen, Bürgervereini­gung, Brötchesmädchen und Tambourcorps: „Da sind wir noch eine Insel der Glückseli­gen.“ Das funktioniere auch, weil es stets gelinge, die Ju­gend schon früh an die Traditi­on heranzuführen, beispielswei­se durch das Musizieren im Tambourcorps. Eines der wich­tigsten Themen der nächsten Zeit sei aber der Erhalt des Winzerverein-Saales, denn oh­ne den seien viele Feste in Lan­tershofen schlicht und einfach nicht denkbar.

Bürgervereinigungs-Vorsitzender Erich Alt­hammer stellte zunächst augen­zwinkernd klar: „Lantershofen hat noch nie auf Kosten von Ahrweiler Rotwein getrunken.“ Er fügte seine eigene Definition von Tradition hinzu, die nicht nur von der Einigkeit lebe, son­dern auch von Verantwortlich­keit, Ernsthaftigkeit und Begeis­terung. All dies sei bei den Junggesellen in hohem Maß vorhanden. Aber auch bei der Bürgervereinigung, deren Mit­glieder sich am Kirmesmontag immer gerne in Frack und Zylin­der zwängten, um gemeinsam die Kirmes zu feiern und so die Tradition fortleben zu lassen. Tradition ist es in Lantershofen auch, dass die Gold- und Silberjubilare unter den Schützen­majestäten besonders geehrt werden. Hauptmann Robin Grießel zeichnete diesmal Hans-Walter Bender als „Gold­majestät“ und Peter-Josef Schütz als „Silbermajestät“ aus.

Geehrt wurden außerdem die Jubiläums-Könige Bernd Knieps (zehn Jahre), Ralf Münch (20), Werner Assenmacher (30) und Reinhard Schütz (40) sowie Jubiläums-Hauptmann Uli Ley (25). Wobei Silberjubilar Peter-Josef Schütz in einer zu Herzen ge­henden Ansprache noch einmal an längst vergangene Kirmes- Tage im Vereinslokal Görres mit der unvergessenen Wirtin The­rese „Tresje“ Görres erinnerte. Das sei eine der schönsten Zei­ten seines Lebens gewesen, auch wegen des Zusammen­halts innerhalb der Junggesellen-Gemeinschaft. Nach wie vor sei die Kirmes das schönste Fest im Dorf und sei es wert, gefeiert zu werden. Wenn alle sich einig seien und die Traditi­on am Leben erhielten, könne das auch in 100 Jahren noch der Fall sein, wünschte er sich.