Mitarbeiter der EU-Kommission besuchten Spirituosenhersteller
Der Kirschenlikör ist ein Nachfolger der geraden Gurke
Spätestens, als die Gurke halbwegs gerade sein musste, damit sie über die Ladentheken in Europa gehen durfte, schaut man bei den Verordnungen der EU-Kommission ganz genau hin und fragt sich, ob es Sinn oder Unsinn ist, was Hundertschaften von Beamte da in Brüssel und den anderen Städten mit EU-Sitz so beschließen und verordnen. Denn es ging bei der Gurke nicht um den Geschmack, die kerzengerade Variante ist besser zu verpacken und somit lässt sich auch eine bessere Marge erzielen. Weniger für die Hersteller, die auf ihren krummen Gurken sitzen blieben, als vielmehr für die Händlerkette zwischen Hersteller und Verbraucher. Die skurrile Verordnung wurde im wahrsten Sinne des Wortes wieder gerade gebogen. Hier wird schnell klar, wer hinter dem Antrieb zu Verordnungen dieser Art stecken könnte: Lobbyisten. Und davon ist der EU-Sitz Brüssel voll, sie gehen ein und aus in den riesigen Verwaltungsgebäuden.
Natürlich ist auch alles rund um die Spirituosen reguliert, in der Spirituosen-Grundverordnung Nr. 110/2008, beschlossen vor nunmehr neun Jahren. Dass auch hier Lobbyisten kräftig Einfluss ausübten, steht außer Frage. Das ist auch kein großes Problem, teilen sich doch gerade einmal vier Konzerne den Weltmarkt und damit die besten Plätze hinter der Theke. „Die haben teilweise zu diesem Zweck sogar eigene Büros in Brüssel“, weiß Werner Albrecht, Sachbearbeiter für Alkohol im Bonner Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Ihm ist es ein besonderes Anliegen, dass die EU-Kommission auch die Stimme der kleinen Spirituosenhersteller hört, von denen nicht wenige an der Umsetzung der Verordnungen scheiterten und ihre Betriebe aufgaben. Und weil nun in Brüssel eine Novelle der Spirituosen-Grundverordnung beraten wird, machte sich Albrecht am Mittwoch zusammen mit EU-Spirituosenreferentin Chiara Imperio und deren Berater Rudy Van Der Stappen aus den Weg ins den Ahrkreis. Dort besuchten sie die Lantershofener Eifeldestillerie und wurden nicht nur von Inhaber Peter-Josef Schütz, sondern auch von der Geschäftsführerin des Bundesverbands der Spirituosenindustrie, Angelika Wiesgen-Pick, empfangen. Man wollte sich vor Ort ein Bild einer deutschen Brennerei machen, sowie das Gespräch mit Spirituosen-Produzenten über die Umsetzung des aktuellen EU-Rechts und der kommenden der neuen EU-Spirituosenverordnung führen. Dabei machte Peter-Josef Schütz klar, dass auch er ein Klagelied über die EU-Verordnungen singen kann. So musste vor einigen Jahren das Produkt „Kirschlikör“ umbenannt werden. Nun heißt es „Kirschenlikör.“ Weil die Begriffe „Kirsch“ und „Alkohol“ doch ausschließlich auf Kirschwasser hindeuten. „Seither schaut der Kunde verdutzt aufs Etikett“ weiß Peter Josef Schütz. Und Werner Albert, dessen Ministerium immerhin erreichen konnte, das sich das Thema nur auf Alkoholika beschränkt und es jetzt nicht auch noch „Schwarzwälder Kirschentorte“ heißt, machte klar: „Es war der Bundesregierung und dem Ministerium wichtig, dass die EU-Kommission weiß, dass der Spirituosenmarkt in den einzelnen 28 EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Strukturen aufweist und es in Deutschland nicht nur vier Weltkonzerne oder größere Unternehmen, sondern kleine familiengeführte Spirituosenmanufakturen und Brennereien gibt, die die regionale Wirtschaftskraft beleben und vor allem auch einen wichtigen touristischen Beitrag liefern.
Daher war man auch froh, dass die Kommissionsmitglieder der Einladung Folge leisteten und Gespräch mit den kleinen Produzenten suchten. Die EU sei ja auch nicht nur ein Fluch, sondern vielfach auch ein Segen, betonte Schütz derweil mit Blick auf die Klarheit, wie denn in den 28 Mitgliedsstaaten Spirituosen zu vermarkten sind. Und weil man auch daran arbeite, dass aus dem Kirschenlikör wieder Kirschlikör wird, lohne sich auch die Lobbyarbeit auf der untersten Ebene“, so Schütz, der seine Besucher nach einer kleinen Verkostung des Kirschenlikörs zur Weiterfahrt in die Winzergenossenschaft Dagernova entließ.