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Auf der Bühne will der Ningel flügge werden

Von Thomas Weber |

Mit Matthias Ningel war einer der begehrtesten Nachwuchs-Kabarettisten in Lantershofen

Kann man bei einem Musik-Kabarettisten, der binnen weniger Jahre bereits zehn hochwertige Kabarett- und Musikpreise abholen durfte, überhaupt noch von Nachwuchs reden? Die Antwort ist ein klares „Vielleicht.“ Jedenfalls bei Matthias Ningel. Der wurde gerade 30 Jahre alt, steht schon knapp die Hälfte seines jungen Lebens auf der Bühne und macht dies seit einigen Jahren professionell. Dafür schmiss der im kleinen Eifelort Hambuch geborene Nigel einen gar nicht so schlechten Job: an der Mainzer Musikhochschule unterrichtete er die Fächer Musiktheorie und Gehörbildung.

Für den Begriff „Nachwuchskünstler“ steht auf jeden Fall der Inhalt seines zweiten Soloprogramms. In „Jugenddämmerung“ berichtet Ningel vom Abschied von besagter Jugend, dem Rauskomplimentieren aus elterlicher Umgebung, der verpassten großen Liebe und all dem, was das Erwachsenwerden sonst noch mit sich bringt. Dabei lief Ningel jedes Mal zu großer Form auf, wenn er sich an den Flügel setzte. Und das tat er am Samstagabend auf der Kulturlant-Bühne in Lantershofen unentwegt. Der junge Mann mit Old-School-Handy, der nur die Eltern-App kennt und bei der eigenen Großmutter den „Enkeltrick“ versuchte, muss „endlich in die Pötte kommen“, wie er es ausdrückte. Aber wie soll das gehen, bei einem Menschen der „Generation Y-ohweiwei“? Diese Jugend ist doch gar nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. „Ist jemand meines Alters hier“, fragte Ningel. Ja, einer. „Gratulation, Du hast tatsächlich eine Entscheidung getroffen, nämlich hierher zu kommen“, frohlockte der Lockenkopf auf der Bühne. Warum ist die „Generation Y“ so entscheidungsschwach? Klarer Fall für Ningel, die Fernsehserien der 1990er-Jahre sind schuld.

Da hatte er es sich noch leicht gemacht. Aber was haben die Gleichaltrigen aus seiner Umgebung vollbracht? Ningel nahm sie alle unter die Lupe und aufs Korn. Karl-Leonhard, den mit acht Jahren schon sadistisch ausgeprägten Spielplatz-Schurken. Oder Rolf, das Feindbild, wollte der doch der geliebten Ilona an die Wäsche und führt heute ein „Hyper-Hyper-Leben“, bei dem der Samstag der Qualitäts-Tag in Sachen Familienleben ist. Jedenfalls für eine halbe Stunde zwischen zwei Terminen. Und immer wieder Ilona, für die er zum 18. Geburtstag sogar ein Lied geschrieben, es aber nie vorgesungen hat. Stattdessen schenkte er ihr lieber einen Tankgutschein und bekam prompt die Quittung dafür. Den Song bekam immerhin das Lantershofener Publikum zu hören, und da hieß es zwangsgereimt: „Ilona – wär ich ein Drucker, wärst Du Toner.“ War er aber nicht und der Papierstau ließ grüßen. Der Song erfüllte nach Ningels Aussagen übrigens die Merkmale eines Schlagers, unter anderem wegen des „zwiefachen (Andy) Borg“ in der Melodie, die beim Schlagerfan unwillkürlich zu silbereisener Hühnerhaut führt. Ein kleiner Exkurs in Ningels alten Job.

Aber irgendwie schaffte es Matthias Ningel in seinem Programm nicht, der Jugend zu entfliehen, da trug er doch lieber immer mal wieder den zerfledderten beigefarbenen und viel zu großen Pullover, für den sich seine Freunde fremdschämen, der aber das junge Ningel‘sche Leben in all seinen Facetten miterlebte. Oder aber er setzte zur Hymne auf die Eifel an, ein Hohelied, mit dem er den meisten im Saal auf der Seele sang: „An jedem Haus ein Garten und in jedem Garten ein Trampolin.“ Da brauchte Ningel gar nicht erst lange nach dem Selbstverständnis der Besucher zu fragen: „Grafschafter Land-Ei oder urbaner Szenemensch?“ Der Ausmarsch in die große, weite Welt, bringt sowieso nichts, auch nicht für befristete Zeiten. So jedenfalls war in Ningels Zugabe zu hören, in der er über „Traurige Touristen“ sang.

Mit dem Gastspiel von Matthias Ningel endete die Kabarett-Aboserie 2017/18 bei Kulturlant. Infos zum neuen „Spass-Abo“ für die Saison 2018/19 sind unter www.kulturlant.de zu finden.