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Das alte Berliner H.Hansen-Klavier von 1907

Von Thomas Schaaf |

Ein Jahr hat das alte Berliner H.Hansen-Klavier noch in der ehemaligen Gaststätte des Winzervereins Lantershofen gestanden, dorthin verbracht vom letzten Pächter. Schon damals war es hier dem sonst so rührigen Verein Kulturlant im Wege. Für dessen Geschäftsführer Thomas Weber war klar: "Das Ding muss weg". Wegen der Dringlichkeit hatte Kulturlant-Freund Thomas Schaaf angeboten, das "gute" Stück kurzfristig abzuholen. Mit mehreren Helfern verfrachtete man daraufhin das schwere Teil in die Laube oben im Tonwerk. Versuche des neuen Klavierbesitzers zur ungefähren Stimmung mit einem eigens angeschafften Stimmschlüssel schlugen wegen des maroden Zustandes der metallenen Saiten fehl, eine Reparatur wäre unsinnig gewesen. So fristete das Klavier einem noch ungewissen Schicksal entgegen. Streng genommen war das nussbraune H.Hansen-Klavier auch in der Laube oben im Tonwerk irgendwie immer im Wege. So war es eigentlich verwunderlich, dass nicht schon früher dort oben gesagt wurde: „Das Ding muss weg.“

Drei Jahre war es nun schon her, dass es aus dem Winzerverein hierher verfrachtet ward. Nur Kindern diente es noch hin und wieder als Übungsobjekt für „Alle meine Entchen“ und ähnliches. Drei Jahre lang hat es mehrere wilde Spontanevents, tiefsinniges Chillen und feuchtfröhliches Partytreiben schadlos überlebt. Jetzt jedenfalls, es war Ab-Grillen 2018 in gemütlichen Feuer-Runde angesagt, schlug das letzte Stündlein des hundertjährigen H.Hansen-Klaviers. Bei geistlockernden Getränken am Feuer kamen feurige Gedanken auf: „Das Klavier kann weg!“ Ein leidlich kundiger Mann am Klavier zauberte ein letztes schräges, schlimm verstimmtes Liedchen aus dem hölzernen Resonanzkörper, dann hieß für einige der halbbierstarken Abgrilljünglinge das Kommando: „Hau ruck“. Nur wenige Meter waren es bis zum musikalischen Scheiterhaufen, schon säuselten – noch zaghaft - die ersten Feuerzungen um das ehemals musikbringende Instrument. Wenige Minuten später verglühte die feste Form des  H.Hansen-Klaviers mit seinen schwarzweißen heiß tönenden Tasten im feuerbrausenden Inferno in Marthas Garten. Übrig blieben vier Rollen, zwei Pedale, zwei Deckelscharniere, 27 starke Holzschrauben und ein harfenartiger Spannrahmen mit zerfetzten Saiten. Das Berliner H.Hansen-Klavier ist nicht mehr.