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Kabarettist Mathias Tretter gab den politisch korrekten Spießer

Von Thomas Weber |

Analoges Chatten ist wieder in Mode

Spießer? Gibt es in der heutigen Gesellschaft keine mehr. Dafür aber eine Fülle toleranter Elektromobilitäts-Windkraft-Veganer. Mit Aussagen wie dieser trat der im Jahr 2017 mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnete Mathias Tretter am Freitag vergangener Woche in Lantershofen auf. Dabei schien Tretter doch viel zu gerne selber der Spießer zu sein. Er sei nicht arrogant, nur zu klug, machte er deutlich, als er mit knallrot geschminkten Lippen auf die Bühne trat und sich zunächst outen wollte. Wegen der Lippen? Nein. „Ich trage mit 46 Jahren jetzt Brille. Ich bin sehbehindert.“ Selbstmitleid kann er auch. Ansonsten aber bestach der Wahl-Leipziger, dessen Akzent die Heimat Würzburg immer noch verriet, mit intelligentem Polit-Kabarett. Tretter provozierte, nahm den allgegenwärtigen Populismus ins Visier und hinterfragte bei den 200 Gästen im Lantershofener Winzerverein, ob ungebildete Dilettanten in der Politik wirklich so toll seien, wie viele meinen.

Mal kritisch, mal lustig stellte der Kabarettist, dem ein Stuhl und ein Stehtisch auf der kargen Bühne genügten, Fakten auf den Kopf und strickte Zusammenhänge, auf die man auch erst einmal kommen muss. Dabei schein er nie alleine auf der Bühne, führte immer wieder imaginäre Zwiegespräche, mal jammernd mit der verständnislosen Ehefrau, mal mit dem Nachwuchs, am liebsten aber mit seinem als Philosoph gescheiterten Studienfreund Ansgar. Philosophie auf dem Kissen im Fenster des Erdgeschosses liegend, während auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Mob verweilt. Das sei „Windowing“, analoges Chatten am Interface zwischen privatem und öffentlichem Raum. „Das Volk muss da durch“, so Tretter, der besagtem Volk noch ganz anderes zumutete und dabei in seinem Programm „Pop“ den Bogen von Trump zur AfD und dann zum Journalisten spannte. Kaum ein Thema des aktuellen klassischen Kabaretts blieb außen vor. Auch ein großes Thema Tretters: die Entwicklung der Sprache. Homeoffice statt Arbeit am Schreibtisch, Schlafsysteme statt Betten, Ethnopluralisten statt Rassisten. Da gefalle ihm das politisch inkorrekte Vokabular doch viel besser, lässt Tretter eine Tirade deftigster Worte los, sodass ein Raunen durchs Publikum geht. „Je mehr political correctness, desto größer die Anzahl der Schimpfwörter“ ist sein logischer Schluss. Kein Wunder, lebt die Welt doch gerade im Zeitalter des Amateurs. Am Ende erhielt der Künstler begeisterten zustimmenden Beifall, die Botschaft bei Kulturlant war angekommen.