„Das Elend übersteigt jeden Begriff“
Die Unwetterkatastrophen im Ahrtal in den Jahren 1910 und 2021
Ruhig verläuft das Leben im Ahrtal im Juni des Jahres 1910, so Berichte aus der Ahrweiler Zeitung. In Berlin läuft die politische Arbeit des Abgeordnetenhauses: Beratungen in den Arbeiterausschüssen, Fragen der Höhe der Krondotationen für Kaiser Wilhelm II. aus dem Hause Hohenzollern, die Reisekostengesetze und die volkswirtschaftliche Bedeutung der Marine waren hier Gesprächs- und Entscheidungsfelder. Themen in Ahrweiler waren die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung, noch am Sonntag wurde im Neuenahrer Kurpark das wegen Regens zunächst ausgefallene „Brillant-Feuerwerk“ mit Tausenden Zuschauern abgebrannt. Montags am 13. Juni 1910 änderte sich an der Ahr alles. „Ein schweres Unglück ist über unser schönes Ahrtal hereingebrochen. Das sonst so ruhig dahineilende Flüsschen wurde plötzlich zum reißenden Strom, der mit wilder Gewalt seine schäumenden Wellen zu Tale trieb und jeden Widerstand in kurzer Zeit vernichtete. Über 50 Menschenleben sind den brausenden Fluten zum Opfer gefallen“, so heißt es in einem Spendenaufruf in der Ahrweiler Zeitung vom 1. Juli 1910 von Stadt- und Gemeindebürgermeistern und anderen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben des Kreises Ahrweiler.
Hochwässer im Ahrtal sind durchaus nichts Unbekanntes, eine Vielzahl von Autoren haben sich mit dieser geschichtlichen Wahrheit intensiv befasst, wie zum Beispiel Dr. Karl-August Seel, Dr. Hans Frick, Christian Ulrich und verschieden Zeitungen und Zeitschriften. Auch der vormalige Kreisarchivar Leonhard Janta hat mit seinem Coautor Poppelreuter an dieses schlimme Ereignis im Heimatjahrbuch 2010 erinnert und zitiert aus einer Zeitung: „Das Elend übersteigt jeden Begriff.“ Janta zitiert weiter: „Um zehn Uhr hatte die Ahr vier Meter über Normalhöhe erreicht. Der reißende Strom führte Bäume, Balken, ein Hausdach und Kisten einher, die vom Bahnbau der Doppelgleisbahn in Altenahr herrührten. 53 Menschen kamen damals durch die Fluten ums Leben“. Weiter heißt es: "Vor den Wolkenbrüchen und der dadurch ausgelösten Flutwelle am 12. / 13. Juni 1910 hatte es ebenfalls wochenlang geregnet, so dass die Ahr und die in sie mündenden Bäche, vor allem der Nohnbach, Trierbach, Ahbach und Adenauerbach, zu reißenden Bächen anschwollen und verheerende Schäden verursachten." Nicht nur die Schilderung der allgemeinen Wetterlage im Juni 1910 erinnert stark an die jetzige Katastrophe 2021. Trauer, Elend, furchtbare Not, Verwüstung und Betroffenheit sind damals wie heute ebensolche Schlagworte wie die große Hilfs- und Spendenbereitschaft. Aber auch Unglückstourismus, Diebstähle und Sensationslust sind Reaktionen der Menschen infolge des schweren Unwetters.
Viele Institutionen bieten jetzt Spendenkontos zur Linderung der Flutschäden an, so auch der Kreis Ahrweiler: „Wir benötigen jetzt die Unterstützung derjenigen, die Hilfe leisten können. Viele Menschen im Kreis haben alles verloren und sind auf die Solidarität vieler angewiesen“, appelliert Landrat Dr. Jürgen Pföhler. Der Kreis Ahrweiler und die Kreissparkasse Ahrweiler haben jeweils 500.000 Euro an Sofort-Hilfe bereitgestellt. Wer den Betroffenen helfen möchte:
- Spendenkonto des Kreises Ahrweiler bei der Kreissparkasse Ahrweiler:
IBAN: DE86 5775 1310 0000 3394 57, BIC: MALADE51AHR
Aus ganz Deutschland erreichen den Kreis Ahrweiler Hilfsangebote für die von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Menschen. Damit die Unterstützungsleistungen auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden, hat die Kreisverwaltung Ahrweiler zwei Telefon-Hotlines eingerichtet, die seit Samstag, 17. Juli, geschaltet sind:
- Hotline „Hilfsangebote“ – Rufnummer 02641/975-900 / E-Mail: Hochwasserhilfe@kreis-ahrweiler.de :
Hier können sich Bürgerinnen und Bürger melden, die bei der Bewältigung der Katastrophe unterstützen möchten, beispielsweise mit konkreten Hilfsangeboten, Sachspenden, Arbeitsmaterialien, Transport- oder Logistikmöglichkeiten oder ähnlichem. - Hotline „Beratung und Betreuung“ – Rufnummer 02641/975-950
Diese Hotline vermittelt Hilfsangebote, unter anderem bei der Beratung von Kindern, Jugendlichen, Familien und Senioren oder im Bereich etwaiger Notbetreuungen. Die Kreisverwaltung arbeitet hier ausschließlich mit anerkannten Trägern im sozialen Bereich zusammen. Beide Hotlines sind täglich von 9 bis 20 Uhr erreichbar.