Stressfreier Jazz lockt viele Fans
Hochklassige Künstler wundern sich über so viel Zuspruch in der „Provinz“
Längst etabliert hat sich „Jazz ohne Stress“ zu Beginn eines jeden Jahres in Lantershofen. Bei der 18. Auflage im dortigen Winzerverein am vergangenen Samstag stand Organisator Jonas Röser zum ersten Mal nicht mit seinem Saxophon auf der Bühne. Bewusst habe er sich dazu entschieden, „sein Baby“ einmal aus dem Publikum heraus zu verfolgen, sagte Röser und übernahm immerhin die Moderation des Abends. Dabei blickte er im Lantershofener Winzerverein auf ein ausverkauftes Haus. „Die Künstler wundern sich, dass Jazz hier in der Provinz so viel Zuspruch findet“, sagte der Organisator nach der Veranstaltung. Den Grund sieht der gebürtige Lantershofener in einer Überfrachtung des Angebots in den Clubs der großen Städte, wo oftmals viele Plätze leer blieben. Hierzulande sei es umgekehrt, das jährliche Angebot treffe auf viele Freunde des Jazz, die laut Röser ein ganz anderes Bewusstsein für die Veranstaltung haben. Zudem habe man es verstanden, dass Musik für ein soziales Event stehe, die Begegnung mit den Musikern sei nach wie vor wichtig.
Die, die nach Lantershofener gekommen waren, waren in der Regel „Wiederholungstäter“, die Jahr für Jahr aus einem großen Umkreis zu „Jazz ohne Stress“ kommen. Hinter der Veranstaltung steht seit einigen Jahren der Grafschafter Verein Kulturlant. Zusammen mit Röser bot dieser dem Publikum einmal mehr ein außergewöhnliches Abendprogramm mit zwei recht unterschiedlichen Jazzformationen. Röser erinnerte aber auch an die Anfänge der Veranstaltung im Gewölbekeller des besagten Winzervereins, wo die Musiker vor ihrem Auftritt noch die Käsestangen fürs Catering herrichten mussten. Davon ist man heute weit entfernt.
Kern des ersten Teils des Abends war das Ellington Trio mit Sängerin Barbara Barth sowie Gero Körner (Piano) und Caspar van Meel (Kontrabass). Sie wurden durch Dominic Brosowski am Schlagzeug, vor allem aber durch den mit vielen Jazzpreisen ausgezeichneten Trompeter Frederik Köster ergänzt. Im Programm hatte das Quintett weniger bekannte Musik von Duke Ellington. Stücke, wie „Cotton Tail“, „I Like the Sunrise“ oder „I’m gonna go fishin‘“ wurden durch ungeheuer vielseitige Arrangements mit modernen Elementen gespickt. So entstanden abwechslungsreiche musikalische Geschichten zwischen dem typischen Ellington-Sound und einzelnen Arrangements-Beispielen der Musiker.
Stars des Jazz nach der Pause waren Pianist Martin Sasse und Saxophonist Tony Lakatos, die in einer herausragenden Quartettbesetzung von Bassist Marcus Schieferdecker und Schlagzeuger Joost van Schaik ergänzt wurden. Sasse steht aktuell am Beginn einer Europatournee zusammen mit Tony Lakatos. Der Abend in Lantershofen bildete sozusagen den Tourauftakt, bei dem das Trio mit Eigenkompositionen von Sassa und Lakatos aufwartete. Zu hören war auch „Blue Chili“, ein ganz neues Werk aus der Feder des ungarischen Saxophonisten. Das gleichnamige neue Album erscheint am 13. Januar, konnte in Lantershofen aber bereits erworben werden. Lakatos trug mit dem „Pocket Waltz“ zum Gelingen des Abends bei, aus Sasses Feder waren „Metronom“ oder der „Blues for John“ zu hören. Am Ende eines fulminanten Jazz-Abends standen eine Interpretation des „But not for me“ von George Gershwin und der Hinweis auf die 19. Auflage von Jazz ohne Stress am 6. Januar 2024.